Bruno Thiesbrummel
geb. 1949
Die Welt draußen war ruhelos genug, das durchlitt er Tag für Tag. Freiheit ist mehr als einen Versuch wert.
Zum Beispiel Nicaragua: „Todesstrafe abgeschafft. Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: nicht unterzeichnet. Das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen und Mädchen bot Anlass zu großer Sorge. Nach Angaben der Polizei waren 2003 und im ersten Quartal des Berichtsjahres 77 Frauen ermordet worden.“
Zum Beispiel Guatemala: „Todesstrafe nicht abgeschafft. Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: nicht unterzeichnet. Im Berichtszeitraum nahmen im Zuge von Landkonflikten Zwangsräumungen unter Einsatz von Gewalt zu. Zudem wurden im Vergleich zum Vorjahr mehr Gewalttaten gegen Frauen, insbesondere Morde, gemeldet. Nach Angaben der Vereinten Nationen lebten 56 Prozent der Bevölkerung Guatemalas unterhalb der Armutsgrenze.“
Zum Beispiel Mexiko. „Todesstrafe für gewöhnliche Straftaten abgeschafft. Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: unterzeichnet. Bei der Strafverfolgung der in früheren Jahren für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen zeichneten sich nur bescheidene Fortschritte ab. Zu den am häufigsten gemeldeten Übergriffen gehörten willkürliche Festnahmen, Folterungen und Misshandlung sowie Verstöße innerhalb des Strafjustizsystems.“
Auszüge aus dem aktuellen Jahresbericht von Amnesty International. Bruno Thiesbrummel war Geschäftsführer bei Amnesty International, er war für die UNHCR, das UN-Hochkommissariat für Flüchtlingsfragen als Sachverständiger in Singapur, betreute ein Jahr lang Flüchtlingslager in Djibouti, sollte dann in Pakistan eingesetzt werden – was er ablehnte, weil er seine Sicherheit dort nicht gewährleistet sah.
Das war keine Frage des Mutes, den hatte er häufig genug unter Beweis gestellt. In Honduras zum Beispiel, als er einen Flüchtling, der zur Folter abtransportiert wurde, wieder zurückholte. Oder in Budapest, als er für ein halbes Jahr ins Gefängnis ging, weil er versucht hatte, DDR-Bürgern zur Flucht zu verhelfen.
Menschenrechtsarbeit ist unteilbar: Bruno Thiesbrummel scheute sich zur selben Zeit auch nicht, die Haftbedingungen der RAF- Häftlinge zu kritisieren.Ein etwas untypischer Verwaltungswissenschaftler, der dann zur Friedrich-Naumann-Stiftung ging, dort zuständig war für Menschenrechte in Mittelamerika, fast 21 Jahre lang, Schreibtischarbeit im Dienst der Menschenrechte. Heroik ist zuweilen eine Frage des Sitzfleisches.
Bescheiden aber beharrlich, auch im Privatleben. Mehrmals lud er die Frau, in die er sich verliebt hatte, zum Tanzen ein. „Und wenn du nicht tanzen willst, dann lass uns doch einen Kaffee bei mir trinken.“ Das Gespräch ging bis tief in die Nacht. Er zauberte eine Flasche „Mumm extra dry“, hervor, und sie blieb bis zu seinem Tod.
Sein Charme lag in seiner Ausdauer. Tanzen konnte er ohnehin nicht.Ihr Eheleben war unaufgeregt. Er fotografierte Blumen, ging gern spazieren. Gab wenig von sich preis, auch im Gespräch mit ihr. Er liebte die Ruhe daheim, die Welt draußen war ruhelos genug, das durchlitt er Tag für Tag.Bruno Thiesbrummel wurde für seine Arbeit von Graf Lambsdorff gelobt und von Frau Leutheusser-Schnarrenberger, und es wurde eine schöne Trauerrede an seinem Grab gehalten. Worte, die nicht wirklich an ihn heranreichen, denn so ganz schlau wurde nie jemand aus ihm. Er war einer der Menschen, die ihr Innerstes nur durch Anstreichungen in Büchern erkennen lassen. Einen Satz von Wilhelm von Humboldt hatte Bruno Thiesbrummel sogar in sein persönliches Notizbuch übertragen: „…einen Beweis zu hinterlassen, dass man wert war, da gewesen zu sein“.
GREGOR EISENHAUER