gedicht monat oktober

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

von Theodor Fontane 

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
 Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
 Und kam die goldene Herbsteszeit

Und die Birnen leuchteten weit und breit,
 Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
 Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
 Und kam in Pantinen ein Junge daher,
 So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?«
 Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
 Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
 Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
 Wieder lachten die Birnen weit und breit;
 Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
 Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
 Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
 Trugen von Ribbeck sie hinaus,
 Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
 Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
 Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
 »He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
 Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
 Der neue freilich, der knausert und spart,
 Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
 Aber der alte, vorahnend schon
 Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
 Der wußte genau, was damals er tat,
 Als um eine Birn' ins Grab er bat,
 Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
 Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
 Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
 Und in der goldenen Herbsteszeit
 Leuchtet's wieder weit und breit.
 Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
 So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer?«
 Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
 Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die Hand
 Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

gedicht vorgetragen vom kleinen fabian 

Schriftsteller

 Theodor Fontane
  • 1819

    30. Dezember: Theodor (eigentlich Henri Théodore) Fontane wird als Sohn des Apothekers Louis Henri Fontane und dessen Frau Emilie (geb. Labry) in Neuruppin geboren. Seine Vorfahren sind hugenottische Handwerker.

  • 1827

    Die Familie Fontane zieht nach Swinemünde um, wo der Vater erneut eine Apotheke betreibt.
    Fontane erhält überwiegend Privatunterricht vom Vater und von Hauslehrern befreundeter Familien. In seinem Erinnerungsbuch „Meine Kinderjahre“ (1894) dankt er später seinem Vater für die unterhaltsame Einführung in die Geschichte mittels Anekdoten und den historischen Romanen Walter Scotts (1771-1832).

  • 1832/33

    Besuch des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Neuruppin.

  • 1833-1836

    Eintritt in die Gewerbeschule von Karl Friedrich Klöden (1786-1856) in Berlin.

  • 1836-1840

    Ausbildung zum Apothekergehilfen in Berlin.

  • 1839/40

    Veröffentlichung erster Gedichte und Erzählungen in der Tageszeitung „Berliner Figaro“.

  • 1840-1843

    Arbeit als Apothekergehilfe in Burg, Leipzig, Dresden und der väterlichen Apotheke in Letschin.

  • 1844

    Eintritt als Einjährig-Freiwilliger in das Berliner Gardegrenadierregiment „Kaiser Franz“.
    Mit einem Schulfreund unternimmt Fontane eine erste London-Reise, bei der ihn vor allem die historischen Erinnerungsstätten interessieren..

  • 1844-1865

    Mitglied des Berliner literarischen Sonntags-Vereins „Tunnel über der Spree“. Als „Tunnelnamen“ wählt er „Lafontaine“, nach dem französischen Fabel-Dichter Jean de La Fontaine (1621-1695). In seinem autobiographischen Werk „Von Zwanzig bis Dreißig“ (1898) setzt Fontane dem Sonntags-Verein im Kapitel „Der Tunnel über der Spree“ ein literarisches Denkmal.

  • 1845

    Nach Beendigung des Militärdienstes kehrt er kurzzeitig in die väterliche Apotheke in Letschin zurück und arbeitet anschließend in einer Berliner Apotheke.

  • 1847

    Nach dem pharmazeutischen Staatsexamen erhält Fontane die Approbation zum „Apotheker erster Klasse“.
    Tätigkeit als Apotheker in Berlin.

  • 1848

    Fontane beteiligt sich an den Barrikadenkämpfen der Märzrevolution in Berlin und veröffentlicht Artikel und Gedichte in der Zeitschrift „Berliner Zeitungshalle“.
    Anstellung im Krankenhaus Bethanien.

  • 1849

    1. Oktober: Fontane beschließt „Sein Leben auf den Vers zu stellen“ und gibt die Stelle am Krankenhaus Bethanien sowie den Apothekerberuf endgültig auf.
    Veröffentlichungen politischer Artikel in der radikal-demokratischen „Dresdner Zeitung“, in denen er für „Freiheit um jeden Preis“ und eine republikanische Staatsform eintritt.
    Dezember: Erste Buchveröffentlichungen mit der anekdotischen Balladendichtung „Männer und Helden. Acht Preußenlieder“, das die brandenburgisch-preußische Geschichte anhand der Portraits von acht Feldherren beleuchtet und dem Romanzenkranz „Von der schönen Rosamunde“ aus der englischen Geschichte.

  • 1850

    August: Nach dem Scheitern der Revolution von 1848/49 resigniert und verbittert, nimmt er zum Broterwerb eine Lektorenstelle im „Literarischen Kabinett“ des preußischen Innenministeriums an, das die Presse im regierungsfreundlichen Sinne zu lenken sucht. Das Kabinett wird zum Jahresende aufgelöst.
    16. Oktober: Heirat mit Emilie Rouanet-Kummer. Aus der Ehe gehen sieben Kinder hervor, von denen drei kurz nach der Geburt sterben.

  • 1851-1856

    Nach Monaten ohne feste Arbeit erhält er eine Anstellung bei der staatlichen „Zentralstelle für Pressangelegenheiten“.

  • 1852

    Fontane reist als „ministerieller Journalist“ für die Zentralstelle nach London. Aus seinen Korrespondenzberichten geht das Buch „Ein Sommer in London“ (1854) hervor.

  • 1855

    Fontane wird erneut nach London entsandt, um dort eine „Deutsch-Englische Pressekorrespondenz“ zu gründen, die allerdings nach wenigen Monaten mangels Nachfrage eingestellt wird.
    Nebenher schreibt er Kritiken Londoner Theaterstücke für deutsche Zeitungen.

  • 1856-1858

    Fontane bleibt als Presseattaché der preußischen Botschaft in London.
    Zudem arbeitet er für verschiedene englische Zeitungen und veröffentlicht zahlreiche Aufsätze über englische Geschichte, Politik und Kultur in deutschen Zeitungen, die er 1860 zu dem Band „Aus England“ zusammenfasst.
    Seine Schottlandreise im August 1858 verarbeitet er literarisch in dem Reisebericht „Jenseits des Tweed“ (1860).

  • 1859

    Fontane kehrt mit seiner Familie nach Berlin zurück.
    Die halboffizielle Stellung als „Vertrauenskorrespondent“ des amtlichen „literarischen Büros“ verliert er nach wenigen Monaten wegen einer journalistischen Indiskretion.

  • 1860-1870

    Redakteur des „Englischen Artikels“ der konservativen „Neuen Preußischen (Kreuz-) Zeitung“, der er mittlerweile auch politisch nahe steht.

  • 1861

    Der erste Band der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ erscheint unter dem Titel „Die Grafschaft Ruppin“. Er beschreibt darin Schlösser, Klöster, Orte und Landschaften seiner Heimat ebenso wie deren Bewohner und ihre Geschichte. Teile der „Wanderungen“ waren zuvor als Aufsätze in der Kreuzzeitung erschienen. Es folgen „Das Oderland“ (1863), „Havelland“ (1873), „Spreeland“ (1882) und „Fünf Schlösser“ (1889).

  • 1864, 1866 und 1870/71

    Im Auftrag des Deckerschen Verlags reist Fontane zu den Schauplätzen des Deutsch-Dänischen, des Deutschen und des Deutsch-Französischen Krieges und schildert seine Eindrücke in den Büchern „Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahre 1864“ (1865), „Der deutsche Krieg von 1866“ (1869) und „Der Krieg gegen Frankreich“ (1873 und 1875/76).
    Während des Deutsch-Französischen Krieges wird er von französischer Seite als vermeintlicher Spion verhaftet und erst nach persönlicher Intervention des preußischen Ministerpräsidenten und Kanzlers des Norddeutschen Bundes Otto von Bismarckfreigelassen. Seine Erlebnisse schildert er 1871 er in dem Bericht „Kriegsgefangen. Erlebtes 1870“.

  • 1870-1889

    Als Theaterkritiker der liberalen „Vossische Zeitung“ setzt er sich für den deutschen Naturalismus und insbesondere für das WerkGerhart Hauptmanns ein.
    Politisch wendet er sich wieder mehr und mehr dem Liberalismus seiner Jugend zu.

  • 1876

    Fontane übernimmt das Amt des Ersten Sekretärs der Berliner Akademie der Künste, legt es aber bereits nach wenigen Wochen nieder, weil er sich vom Akademiepräsidenten als „Subalternbeamter“ behandelt fühlt.

  • 1878

    Fontanes erster Roman, das vierbändige Epos „Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812-1813“ erscheint. Der mit zahlreichen regionalen Details versehene historische Roman schildert die Zeit vor den Befreiungskriegen.
    Ähnlich historisch verankert ist die Novelle „Schach von Wuthenow“ (1883), die im Vorfeld des preußischen Krieges gegen Frankreich 1806 spielt.

  • 1889

    Mit 70 Jahren gibt er seine Arbeit als Theaterkritiker der „Vossischen Zeitung“ auf und lebt ausschließlich als freier Schriftsteller.

  • 1890/91

    Mit den „Gesammelten Romane und Novellen“ Fontanes erscheint erstmals eine Gesamtausgabe seines Werks in 12 Bänden.

  • 1891

    Wegen seiner Verdienste um die deutsche Dichtkunst wird Fontane von der Deutschen Schillerstiftung mit einer so genannten Ehrengabe von 3.000 Mark unterstützt.

  • 1892

    Nach einer seelischen Krise und Depressionen beginnt Fontane auf ärztlichen Rat hin mit der Abfassung seiner Lebenserinnerungen, die 1894 unter dem Titel „Meine Kinderjahre“ erscheinen und mit der Autobiographie „Von Zwanzig bis Dreißig“ (1898) fortgesetzt werden.

  • 1894

    Die philosophische Fakultät der Berliner Universität (heute Humboldt-Universität) verleiht ihm die Ehrendoktorwürde.

  • 1897

    Fontanes letzter Roman, „Der Stechlin“ (1897), stellt in Form einer gepflegten Konversationstechnik das Verhältnis von Alt und Jung in den Mittelpunkt.

  • 1898

    20. September: Theodor Fontane stirbt in Berlin.

Dorlis Blume